Peter und Paul beim Aufwärmen. | © Edith Danzer
  • Tradition

Knupfa und Aufdraha

Ranggeln hat im Glemmtal Tradition

Um das traditionelle Ranggeln zu erklären, zieht man oft Parallelen zum Ringen. Und doch ist Ranggeln eine eigenständige Sportart mit uralten Wurzeln. Saalbach Hinterglemm war über Jahrzehnte eine Hochburg dieses Sports. Nach einer Generationenlücke, nach der Ära Kendler & Riedelsperger, ist der Ranggelsport heute aktiv wie selten zuvor und die jungen Burschen beweisen bei zahlreichen Veranstaltungen ihr großes Talent.

Warum gerade Orte wie Saalbach Hinterglemm im Alpenraum immer schon zu den Talenteschmieden der Ranggler zählten, erklärt sich mit der Geschichte des Glemmtals und des Ranggelsports. Früher trugen die Senner und Bauernburschen ihre Meinungsverschiedenheiten beim Ranggeln auf den Almen aus – und das Glemmtal war früher einmal ein reines Bergbauerndorf. Der Name des Ranggel-Siegers, der „Hågmoar“ kommt vom „Håg“, der Abzäunung der Almflächen. Ein Stoahåg – also zu kleinen Mauern aufgehäufte Steine – grenzte vor der Umstellung auf Stacheldraht oder elektrische Weidezäune eine Almweide von der nächsten ab. Wenn es unter den kräftigen jungen Sennern zu Streitereien kam, dann verabredete man sich zum Ranggeln. Derjenige, der als Sieger aus diesem Kampf hervorging, war der „Moar“, der Meister. Und dieser Hågmoar durfte sich über Respekt und Ansehen freuen, denn der Titel, der bedeutete viel. 

Mythos Hundstein

Und am allermeisten bedeutete immer schon der Sieg des legendären Hundstein-Ranggelns. Das jährliche Ranggeln am Hundstein ist dem Vernehmen nach der älteste Sportbewerb in Europa, wahrscheinlich sogar einer der ältesten regelmäßigen Bewerbe weltweit. Der Hundstein – ein Berg zwischen Maria Alm und Zell am See, nur wenige Kilometer vom Glemmtal entfernt – verströmt einen besonderen Mythos, und ein Sieg dort in der Naturarena wird von allen Rangglern angestrebt, wie mir Hans Bernsteiner, Präsident des Salzburger Rangglerverands in einem Interview erklärt: „Was dem Skifahrer sein Olympiagold, das ist dem Ranggler die Hågmoar-Fahne vom Hundstein! Der Sieg am Hundstein ist der absolute Karriere-Höhepunkt der Ranggler.“ 

Um den Hundstein-Hågmoar kämpfen Peter und Paul Mitterer aus Hinterglemm noch nicht mit, dafür sind sie noch zu jung – doch in den Klassenkämpfen ihrer Altersgruppe treten sie stolz in den Ring. Peter und Paul sind 12-jährige Zwillingsbrüder und bereits mit acht Jahren begannen sie mit dem Ranggelsport. „Warum Ranggeln“, will ich wissen und ganz entgeistert sehen mich die beiden an und antworten: „Na, weil der Papa auch schon Ranggler war!“ Das wäre also geklärt – Ranggeln wird sozusagen in den Familien weitervererbt und Trainer Helmut Kendler aus Hinterglemm bestätigt dies: „Es gibt Familien, in denen seit Generationen geranggelt wird. Meine beiden Brüder und ich waren sehr erfolgreiche Ranggler und mein Sohn ist nun ebenfalls Ranggler. Ich war zu meiner Zeit 12 Jahre lang Favorit auf den Hundstein-Hågmoar, bis es mir 2001 endlich gelang – eine enorme Genugtuung! Unser Verein in Saalbach Hinterglemm hat 25 aktive Mitglieder von 5 bis 32 Jahren. Peter und Paul sind hoffnungsvolle Nachwuchstalente und wer weiß, vielleicht kommt bald wieder einmal der Hundstein-Hågmoar aus dem Glemmtal.“

Saalbach Stories am Hundstein

Saalbach Stories begleitete die beiden jungen Saalbach Hinterglemmer zu ihrem großen sportlichen Auftritt auf dem Hundstein. Bei Gewitter, Regen und Nebel präsentiert sich der Mythos-Berg an diesem Tag erst einmal recht abweisend. Doch nach einem gepflegten Frühstück – und ja, Ranggler frühstücken Schweinsbraten mit Knödel! – und einer kurzen Bergmesse im Regen, zeigt sich endlich die Sonne. Rechtzeitig, denn für Peter und Paul geht es nun ab in die Natur-Arena unterhalb des Statzerhauses. Sie schlüpfen in ihr typisches Ranggler-Gewand: Eine reißfeste Pfoad ohne Kragen und die passende Hose mit Gürtel dazu. Das schwere Leinen ist reinweiß und ich frage die beiden, wie sie es schaffen, die Grasflecken wieder rauszubekommen. „Ganz einfach, wir geben das Gewand nach dem Ranggeln der Mama!“, erklären sie. Und Mama, so wird mir verraten, hängt die gewaschenen Sachen ins Sonnen- und Mondlicht – das hilft gegen die grasgrünen und erdbraunen Flecken.

Barfuß steigen sie in den Ring und mit dem Pfiff des Schiedsrichters beginnt auch die Uhr zu laufen. Wird der Kampf innerhalb von sechs Minuten nicht entschieden, so gehen beide Kontrahenten ohne Vorrückung in die nächste Runde vom Platz. Entschieden ist der Kampf aber dann, wenn man den Gegner auf beide Schulterblätter auf den Rücken drückt. Und das zeigen Peter und Paul in ihren Kämpfen bravurös. Egal, ob der Gegner ein paar Köpfe größer ist, denn furchtlos wird zugegriffen, gezogen und gehebelt. „Einen Aufdraha oder Knupfa wollen wir sehen“, feuert das Publikum an. Und zeigen die Ranggler einen dieser spektakulären Würfe, dann wird es laut im Kessel am Hundstein. Bei Peter und Paul läuft es so gut, dass sie am Ende als Gegner im Finale ihrer Altersklasse im Ring stehen. 

 

Diesmal hat Peter im finalen Kampf die Nase vorn und er drückt seinen Bruder gekonnt auf den Rücken. Somit holt er sich den Sieg in seiner Altersklasse und lobend klopft Helmut Kendler beiden auf die Schulter und meint: „Eine überragende Leistung habt ihr gezeigt!“ Doch vor den Zwillingen liegt noch eine lange erfolgversprechende Karriere und es wird für Paul sicher die Chance auf Revanche geben. Das Ranggeln am Hundstein findet jedes Jahr am letzten Sonntag im Juli statt. Auch in Saalbach Hinterglemm wird alle zwei Jahre ein großes Ranggeln ausgetragen – den Termin für 2018 findet man ab dem Frühjahr unter www.saalbach.com.

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Heiko Mandl