- Tradition
Vom Mahn & Heign
Nichts erinnert mich mehr an die Sommer meiner Kindheit, als der warme Geruch von frischgemähtem Heu. In der Sommerhitze trocknet das zu regelmäßigen Zeilen aufgehäufte Heu malerisch an den grünen Hängen des Glemmtals. An besonders steilen Berghängen sieht man auch heute noch oft die Landwirte mit Sense und Rechen bei der Heuernte. Und das Sensenmähen – und vor allem das Schärfen des Sensenblatts – will gut gelernt sein, denn nur mit „ana guadn Schneid“ legen sich die Grashalme auch bei jedem Zug ohne Kraftaufwand um.
Zwei bis dreimal im Sommer rücken die Bauern auf ihre Almweiden aus, um mit Mähbalken oder dem Mähtrack das saftige Wiesengras zu mähen. Mancherorts geschieht dies noch ganz traditionell mit der Handsense und Rechen. Saalbach Stories war beim letzten Mähen am Maroldengut in Hinterglemm mit dabei und erfuhr einiges über den richtigen Zeitpunkt, die richtige Schneid und das Gespür für‘s Wetter.
Andrea und Michael Hasenauer führen das wunderschön im Talschluss gelegene Maroldengut als Nebenerwerbsbauern. „Wir halten Almochsen und betreiben keine Milchwirtschaft. Ein Teil unseres Viehbestands weidet hier neben dem Haus, ein Teil ist auf einer höher gelegenen Alm zur Sommerfrische. Wir bewirtschaften 53 ha – davon sind 33 ha Waldfläche. 11,5 ha müssen wir jährlich zweimal mähen – der Rest ist Hutweide. Ich selbst arbeite bei den Hinterglemmer Bergbahnen - ein Segen für mich als Bauern! Denn mein Arbeitgeber ermöglicht es mir im Sommer für meine landwirtschaftlichen Tätigkeiten, wie dem Mähen, freizunehmen. Wenn die Zeit für den Schnitt gekommen ist, warten wir nur noch auf beständiges Schönwetter – dann geht es ab auf die Wiesen. Wo es möglich ist, arbeiten wir natürlich maschinell, doch manchmal rücken wir mit der Handsense aus“, erklärt mir Michael Hasenauer. „Wir mähen eher spät im Sommer aufgrund unserer Höhenlage. Das gibt den Kräutern auf der Wiese die Chance abzusamen und ist gut für die Biodiversität. Beim ersten Schnitt im Juli ist die Heumenge, die wir in den Stall einfahren, bedeutend größer. Beim zweiten Schnitt, dem Groamat, kommt nicht mehr so viel zusammen. Wenn der Zeitpunkt für’s Heuen da ist, warten wir auf zwei stabile Schönwettertage. Da hilft uns das G’fühl, aber auch die Wetter-Apps am Handy“, lacht Andrea, die sich neben der Landwirtschaft um die drei Kinder und das Ferienhaus kümmert. Wenn der richtige Zeitpunkt da ist, hilft die ganze Familie zusammen und man mäht an zwei Tagen gleich am Maroldenhof und bei der Verwandtschaft am Rammerngut.
„A richtige Bockleitn“
„Bockleitn“ ist ein Pinzgauer Ausdruck für einen steilen Wiesenhang – und der trifft hier vor dem Maroldengut absolut zu. Alexander „Xand“ Gensbichler wartet früh am Morgen schon mit der frisch geschliffenen Sense am Steilhang und mit einem gekonnten Schwung mäht er sich durchs taunasse Gras. „Wir mähen mit der Handsense das nasse Gras, weil es sich einfach leichter schneiden lässt“, verrät Michael, bevor er sich am steilen Hang positioniert und rhythmisch das Sensenblatt durch die Halme zischen lässt. Alle paar Minuten stellen die beiden ihre Sense auf, putzen die Schnittkante mit einem Büschel Heu und beginnen die Sense mit dem Schleifstein zu bearbeiten. Das „Wetzen“ verleiht dem Sensenblatt zwischendurch Schärfe, doch viel ausschlaggebender für eine gute Schneid ist das vorbereitende „Dengeln“ der Sense. Und das beherrschen nicht mehr viele so gut wie Xand Gensbichler. Im Video erklärt er genau, worauf man dabei achten muss.
Rechen-Beispiel
Das Heu bleibt nun liegen, bis es trocken ist. Dazwischen wird es gewendet und mit dem Mähtrack oder den Handrechen zu symmetrischen Zeilen – die Schwaden – zusammengerecht. „Wir müssen nicht auf eine vollständige Trocknung warten, denn auf unserem Heuboden steht ein computergesteuerter Entfeuchter“, verrät Michael und zeigt, dass der Fortschritt auch in der traditionellen Landwirtschaft längst eingezogen ist. „Prinzipiell wollen wir das Heu so wenig wie möglich angreifen, denn das erhöht die Futterqualität. Trocknet es am Feld komplett aus, würden beim Einfahren des Heus die trockenen Blüten und Blätter abbröseln und fürs Vieh nur noch die rohfaserreichen Stengel übrigbleiben. Durch die finale Entfeuchtung am Heuboden haben wir keinen Bröckelverlust und alle energiereichen Pflanzenbestandteile bleiben erhalten. Für das Zusammenrechen des Heus rücken auch die Kinder der Hasenauers mit ins Feld aus. Die fesche Lisa geht mit gutem Beispiel voran und schwingt gekonnt den Holzrechen – dass sie dabei ihr Dirndl trägt ist allerdings nicht üblich, sondern ein schöner Zufall, den wir gern mit der Kamera einfangen.
Die Almochsen sehen uns neugierig bei der Arbeit zu und scheinen zu wissen, dass sich die Bauern hier um ihr zukünftiges Futter kümmern. Denn aufmunternd muhen sie Michael beim Sensenmähen zu. „Wir behalten die Ochsen rund drei Jahre und ihr Fleisch wird danach direkt im Ort vermarktet. Regionalität ist uns sehr wichtig und gute Betriebe im Tal kochen mit unserem Pinzgauer Rind. Um ein ordentliches Produkt zu erzeugen und bestes Fleisch zu erhalten, müssen wir mit der Heuernte für ordentliches Futter sorgen. Dies war nun die letzte Mahd – was jetzt noch wächst ist für unsere Rückkehrer von der Alm. Wenn sie im Herbst zurück auf den Hof kommen, finden sie hier vorm Haus noch reichlich Gras“, meint Michael Hasenauer, widmet sich wieder konzentriert seiner Arbeit und lässt das scharfe Sensenblatt durchs Gras schwingen.
Kleine Übersetzungshilfe
Bockleitn: steiler Wiesenhang
dengln, der Dongl: mit dem Hammer wird eine Schneid aufs Sensenblatt geklopft
doitreim, aussiblattln: wegtreiben
Groamat: zweite Heumahd
Heign: Das trockene Heu mit Rechen zusammenfassen
Hochmahda: Wiesen auf den Hochalmen
Hutweide: Wiesenfläche, die vom Vieh abgeweidet wird
schneidgeitig: wenn das harte Gras die Schneid der Sense nimmt
Schoschtn: eine ungewollte Kerbe im geschärften Sensenblatt
Schwaden: Zusammenfassen des Heus zu symmetrischen Reihen
wetzn: mit dem Schleifstein das Sensenblatt schärfen